In Memoriam
Dipl.Psych. Armin Schulte
1953 - 2023
Am Abend des 21. Juli 2023 ist Armin Schulte im Kreise seiner Familie friedlich von uns gegangen.
Um unser Mitgefühl auszudrücken und Erinnerungen miteinander zu teilen, haben wir dieses Kondolenzbuch erstellt. Wir laden Sie herzlich ein, Ihren Beitrag an gedenken@zwischenschritte.de zu senden. Die erhaltenen Nachrichten werden zeitnah an dieser Stelle veröffentlicht. Vielen Dank.
Es ist, wie es ist ...
Lieber Schulte,
ich fand es immer seltsam, dich zu duzen. Schon als kleines Kind wurde einem beigebracht, dass man alten Weisen stets mit Respekt und Zurückhaltung begegnen sollte. Das duzen war für mich darin nicht inbegriffen. Da ich mich in dem weiteren Text auf filmische Prozesse beziehe, bitte nicht „alter weiser“ allzu persönlich nehmen.
Als Kind wurde man irgendwie durch Filme erzogen, und als ich dich duzen durfte, war mir das so ungeheuer, da du in meinen Augen eine Gestalt bist, die man nicht duzen darf. Um den Bogen zu bekommen hier meine Film-Assoziation zu dir:
Diese weisen Akteure, die nur ein- oder zweimal im Film auftauchen, sind nicht diejenigen, die alle 5 Sekunden auf der Leinwand zu sehen sind. Sie sind diejenigen, die sich höchstens alle halbe Stunde mal auf der Leinwand zeigen, wenn überhaupt. Doch wir alle wissen, welche Wirkung diese Szenen auf uns haben. Mit einem Knall tauchen sie auf, man könnte fast schon sagen – wie Orakel, und alle anderen sind ehrfürchtig. Meistens kommen die Menschen zu ihnen mit einer Bitte, einer Frage oder einem Wunsch. Die erhofften Ratschläge sollen dann den ganzen Film klären, damit der Fragende endlich weiß, was zu tun ist. Der alte Weise kann einem alles sagen, was vielen verborgen bleibt.
Doch das wäre ein wenig zu einfach, oder nicht? Unser alter Weiser, der zu jeder Frage eine Antwort hat, weiß, dass sein Ratschlag jetzt zu einfach wäre. Spannung sollte schon vorhanden sein. Das weiß er. Selbst mitdenken macht schlauer, oder nicht? Unser weiser Mann befolgt diese Weisheit und lässt seine Worte tanzen. Dieser Ratschlag sagt so viel und doch so wenig, denken sich der Fragende und der Zuschauer. Was für eine Gemeinheit. Alle sagten doch, der Weise Mann hat immer auf alles eine klare Antwort. Er kann jedem helfen. Was für eine Gemeinheit.
Doch im Laufe des Films denkt er immer wieder über die Worte nach, die ihm der alte Weise ans Herz gelegt hat. Nach und nach versteht er. Immer wieder wiederholt er die tanzenden Worte des Alten. Und nach langen Überlegungen und einigen Erfahrungen später hat er seine Antwort. Es ergibt nun alles Sinn. Auch wenn er nicht der Hauptakteur ist, hat der alte Weise den Film geführt und ihn zu dem gemacht, was er ist. Dem Ganzen eine Verspieltheit verliehen, um zum Nachdenken anzuregen. Er war nur kurz auf der Leinwand. Aber diese Rolle vergisst der Zuschauer nie. Kennen wir nicht alle noch diese eine ikonische Rolle in einem Film?
Du warst das für meinen eigenen Film. Mein Film läuft immer noch und ist wahrscheinlich erst am Anfang. Du wirst auf meiner Leinwand nur noch als Rückblick oder als immer wieder auftretende Stimme erscheinen. Dennoch wirst du für immer einen ikonischen Platz in meinem Film haben. Nicht nur in meinem.
Deine Art und Weise, mit Menschen umzugehen, war einzigartig. Gespräche wie du sie führst, sind etwas Einzigartiges. Es schmerzt mich, zur Uni zu gehen, ohne die Schulte-Energie zu spüren. Und ich weiß, damit bin ich nicht die Einzige. Das Besondere fehlt. Der Himmel hat jetzt vielleicht mehr zu lachen als wir gerade. Aber der Himmel hat jetzt auch wirklich mehr zu zerdenken.
Es war mir eine Ehre, dich zu duzen. Danke für dieses Angebot.
Ich habe in so angenehmer Erinnerung, daß Armin Schulte bei einer Seminarreihe im Mediapark Köln mich wohl von oben aus dem 3. oder 4. Stock kommen sah und mir den Fahrstuhl herunter schickte. Er konnte in den alltäglichen Dingen so sehr einfach nett sein.
Die Pinguinrutsche und das Domfenster von Gerhard Richter – Eine persönliche Erinnerung an Armin Schulte
Armin Schulte war mein Morphologie-Dozent für Allgemeine Psychologie I im ersten Semester. Über die Jahre hatte ich immer wieder Kontakt. Zuletzt intensiver, als er mich für einen WSG-Vortrag angefragt hatte und wir viele anregende Gespräche geführt haben – über Symptome unserer Zeit, die Potentiale der Morphologie und mein Vortragsthema.
Armin Schulte war ein Mensch, der viel gegeben hat. Er hat sich Zeit für seine Gesprächspartner genommen. Er hatte immer anregende Querverweise parat. Da kamen Literaturempfehlungen und in der nächsten Mail wertvolle Gedankensplitter, wo und wie man ein Thema weiterverfolgen könnte. Er hat mit seiner Art der morphologischen Community viel gegeben. Er war nie besserwisserisch, beharrte aber immer unerschütterlich auf einen Standpunkt: Dass das voraussetzungslose Schauen und Beschreiben der Anfang von Allem in der Psychologie sei.
Da kommt mir die Pinguinrutsche in den Sinn: In einer Übung im ersten Semester waren wir als junge Novizen angehalten, unseren Erlebensprozess beim Betrachten des Geschehens zu beschreiben, das da vor uns ablief, als die Automatik des Spielzeuggetriebes den einen Pinguin nach oben auf die Rutsche beförderte, während der andere Pinguin sich auf Talfahrt begab. Und das Ganze immer wieder im Kreis herum. Was hier zu lernen galt, war, dass das Seelische das Äußere als Gestaltanhalt nimmt. Und dass da im Seelischen Prozesse ablaufen (Gestaltbildungen, Transformationen, Übergänge), die ihre eigenen Wirkprinzipien entfalten. Da heranzukommen war anstrengend. Viele Kommilitonen protestierten: „Was soll der Unsinn denn?“ „Haben Sie Geduld. Lassen Sie sich darauf ein“, so die Antwort von Armin Schulte. „Da müssen Sie durch!“
Wenn ich heutzutage nach Köln komme, habe ich es mir zu einer Angewohnheit gemacht, mich im Dom vor das Fenster von Gerhard Richter zu setzen, wenn dafür irgend Zeit ist. Das ist für mich eine Übung in Morphologie, im Schauen und Beschreiben. Da ist ein Spiel von willkürlichen Farbflecken und zerfallenen Mustern. Da entstehen Blitze und Dynamiken. Das alles ist immer wieder neu und anstrengend. „Da müssen Sie durch!“ Armin Schulte war ein guter Lehrmeister der morphologischen Haltung. In tiefer Trauer…
Beim Abschied wird die Zuneigung zu den Dingen, die uns lieb sind, immer ein wenig wärmer.
Montaigne
Ruhe in Frieden
Als noch derzeitiger Student von Professor Armin Schulte betrübt mich der Verlust sehr. Er war nicht nur mein Mentor in vielen Modulen der Wirtschaftspsychologie sondern hat mich auch die Morphologie gelehrt und näher gebracht. Durch ihn habe ich sie zu Lieben und zu schätzen gelernt.
In Gedanken sind wir als gesamter Kurs bei seiner Familie.
Ruhe in Frieden
Armin Schulte war der unermüdliche Trommler der Morphologischen Psychologie. Wenn spätere Generationen auf diese seltsame und doch so ertragreiche Pflanze in der Geschichte der Psychologie aufmerksam werden, dann wird das vor allem ihm zu verdanken sein. Er hat die Foren gegründet, in denen sich diese Wissenschaft darstellen konnte. Sein Lebenswerk verdient den aller größten Respekt und unseren Dank.
„Ein Buch kann weitergehen, auch, wenn mehrere Menschen daran arbeiten; eine Morphologie wirkt dadurch, daß andere sie fortsetzen können.“
Wir werden dich vermissen.
Herzlichst